«Little Big Five» vom Greifensee – Kuckuck in Schmetterlingsgestalt

von Sandra Julius

Unser kleinstes «Little Big Five»-Tier verfügt über einen Lebenszyklus, der bezüglich Komplexität kaum zu übertreffen ist. Vielleicht haben es einige bereits erraten, die Rede ist vom Kleinen Moorbläuling. Im Moment legen die Weibchen ihre Eier ab und die faszinierende Lebensreise der Kleinen Moorbläulinge vom Ei zum Schmetterling beginnt von Neuem.

Die Familie der Bläulinge ist gross. Weltweit gibt es mehr als 5000 Schmetterlingsarten, die zu den Bläulingen gehören. In der Schweiz kommen über 50 verschiedene Bläulingarten vor. Einer davon ist der vom Aussterben bedrohte Kleine Moorbläuling. Rund die Hälfte der Schweizer Population an Kleinen Moorbläulingen ist im Kanton Zürich heimisch. Die meisten leben im Gebiet des Pfannenstils, einige auch in den Riedwiesen am Greifensee.

Doch beginnen wir am Anfang mit der Eiablage und der aussergewöhnlichen Reise der Kleinen Moorbläulinge vom Ei zum Schmetterling: Mitte Juli bis Mitte August legt das Weibchen seine Eier ab. Als hochspezialisierte Schmetterlingsart gehen sie dabei äusserst wählerisch vor – ausschliesslich der Lungen- oder der Schwalbenwurz-Enzian kommen für die Eiablage in Frage. Aus den Eiern schlüpfen nach zwei Wochen die Raupen. Sie fressen sich genüsslich in die Knospe und den Fruchtknoten der Enziane hinein und bleiben dort bis zur dritten Häutung. Ungefähr Mitte September lassen sie sich von den Enzianen fallen und die nächste Etappe ihrer faszinierenden Lebensreise beginnt.

Was bisher unerwähnt geblieben ist: Die Schmetterlingsraupen imitieren den Geruch von Ameisen und dies so genau, dass sie von den geschäftigen Insekten für Ameisenlarven gehalten werden. Auf dem Boden liegend, müssen die Raupen also nur geduldig warten bis sie nach kurzer Zeit von den Ameisen – meist von Knotenameisen – entdeckt und in ihr Nest getragen werden. Einmal adoptiert, werden die Raupen der Kleinen Moorbläulinge den Winter über gefüttert und gepflegt bis sie sich im Frühling verpuppen und im Juni als Schmetterlinge das Ameisennest verlassen.

Mit diesem komplexen Lebenszyklus und verschiedenen Abhängigkeiten erstaunt es nicht, dass der Kleine Moorbläuling in der Schweiz und in Europa sehr selten geworden ist. Insbesondere die Enzianarten sind für sein Fortbestehen unabdingbar. Ebenso kommt der Bewirtschaftung der Riedwiesen eine entscheidende Bedeutung zu: Normalerweise werden die Riedwiesen anfangs September gemäht. Dann befindet sich die Raupe des Kleinen Moorbläulings aber noch im Enzian und wurde noch nicht von den Ameisen adoptiert. Nur eine späte Mahd nach Ende September ermöglicht es den Raupen von den Ameisen aufgenommen zu werden und den Winter zu überstehen.

In Riedflächen, wo der Kleine Moorbläuling vorkommt, wird am Greifensee darauf geachtet, dass die Mahd erst später erfolgt, das Schnittgut länger liegengelassen wird, als normal und der Schnitt mindestens 10 Zentimeter über der Bodenoberfläche erfolgt, um die Ameisennester in Bodennähe nicht zu zerstören. So kann auch die nächste Generation von Kleinen Moorbläulingen «ihr» Ameisennest im Frühsommer als Schmetterling verlassen.

 

Foto: Andi Hofstetter

 

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