Wildnis finden und fördern

Wie eine Studie der Organisation Mountain Wilderness zeigt, sind rund 17 Prozent der Schweizer Landesfläche - vor allem im Hochgebirge - noch wild.  120 Teilnehmende aus verschiedenen Fachbereichen diskutierten Ende Oktober an der schweizweit ersten Wildnis-Tagung über die Ergebnisse der Studie und wie wir Wildnis langfristig fördern und erhalten können. Geschäftsführerin Ute Schnabel-Jung war auch dabei.

Die Tagung versuchte sich dem Begriff von Wildnis zu nähern und zu verorten, wo es Wildnis in der Schweiz und im angrenzenden Ausland gibt und in Zukunft geben kann. Wildnis ist demnach in grossflächigen, von Infrastruktur nicht erschlossenen Räumen zu finden, in welchen die Menschen die Natur eigenverantwortlich, kompetent und respektvoll erleben können.

Referate gaben einen Einblick in den Stand der Wildnis-Debatte in der Schweiz und auch in den Nachbarländern. Der internationale Vergleich zeigte, dass das Thema Wildnis in der Schweiz sehr wenig verankert ist. Die Teilnehmenden der Tagung sind sich einig: Es braucht Wildnis, vom kleinsten wilden Stadtgarten bis zu grossen alpinen Wildnisgebieten. Orte, wo der Mensch sich bewusst zurücknimmt, wo die Natur Natur sein kann. Die letzten Flächen hoher Wildnisqualität der Schweiz müssen erhalten und gefördert werden. Aber es braucht auch Mut, Wildnis zuzulassen und die Kontrolle abzugeben.

Am Greifensee lässt sich die Wildnis gemäss diesen Vorgaben nicht finden. Und dennoch stillt der Greifensee an vielen Orten unsere Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, nach Ungeordnetem. Wildnis beginnt im Kopf eines jeden Einzelnen und lehrt uns beim genauen Beobachten Toleranz und Miteinander, Geduld und Gelassenheit, Demut und Stille. Wildnis zuzulassen bedeutet, Unordnung zu akzeptieren. Und Verantwortung zu übernehmen. Auch am Greifensee.

 

«Mahnung» von Eugen Roth (1966)
 
Welt, bedacht auf platten Nutzen,
sucht auch die Seelen auszuputzen.
Das Sumpfentwässern, Wälderroden
schafft einwandfreien Ackerboden,
und schon kann die Statistik prahlen,
mit beispiellosen Fortschrittszahlen.
Doch langsam merken’s auch die Deppen,
die Seelen verschwinden und versteppen.
 
Denn nirgends mehr, soweit man sieht,
gibt es ein Seelen-Schutzgebiet.
Kein Wald, drin Traumes-Vöglein sitzen,
kein Bach, drin Frohsinns-Fischlein blitzen.
Kein Busch, im Schmerz sich zu verkriechen,
kein Blümlein, Andacht draus zu riechen,
nichts als ein ödes Feld mit Leuten,
bestellt, es restlos auszubeuten.
Drum, wollt ihr nicht zugrunde gehen,
lasst noch ein bisschen Wildnis stehen!

 

SRF Tagesgespräch mit Sebastian Moos (Projektleiter Mountain Wilderness Schweiz)
Blogpost von Mountain Wilderness zur Tagung vom 30./31. Oktober 2019

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